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Betreuung für von Gewalt betroffene Frauen und Mädchen in zwei Departments von Guatemala

© action medeor/Cristina Chiquín

In den ersten 4 Monaten des Jahres 2021 hat die Gewalt gegen Frauen in Guatemala einen traurigen Höhepunkt erreicht: 161 Femizide und 20.000 Anzeigen wegen körperlicher Gewalt wurden gezählt, von einer hohen Dunkelziffer muss ausgegangen werden.

Durch die pandemiebedingten strengen Ausgangsbeschränkungen gerieten weibliche Jugendliche und Mädchen in eine besonders vulnerable Position. Kinderschützer in Guatemala gehen davon aus, dass im Jahr 2020 9 von 10 Schwangerschaften von unter 14-Jährigen Resultat von Missbrauch seitens eines nahen männlichen Verwandten waren; in 2020 wurden in Guatemala 99.656 Schwangerschaften bei Mädchen und Jugendlichen im Alter von 10-19 Jahren gemeldet. Davon gelten 4.535 Fälle als strafbare Fälle von Kindesmissbrauch, da es sich um Schwangerschaften bei Mädchen unter 14 Jahren handelt.

Die Auswirkungen der Ausgangsbeschränkungen der COVID-19 Pandemie haben die Situation von Frauen und Mädchen zum Negativen verändert: Betroffene müssen mit Aggressoren, die häufig aus dem eigenen oder einem nahestehenden Haushalt sind, in großer räumlicher Nähe leben und können aufgrund der Ausgangsbeschränkungen ihr Umfeld nur schwerlich verlassen. Viele Behörden und offizielle Stellen haben ihre Arbeit eingeschränkt, doch der Bedarf an Notfallversorgung für von Gewalt betroffene Frauen und Mädchen hat zugenommen. Die bestehenden Strukturen können diesen Bedarf bei weitem nicht abdecken.

Die Projektregionen Chimaltenango und Sacatepéquez

Umso notwendiger ist der Weiterbetrieb des bereits im Vorprojekt unterstützten Frauenberatungszentrums CAIMUS unserer Partnerorganisation ASOGEN im Department Chimaltenango. Zusätzlich wurde in Antigua, der Hauptstadt des benachbarten Departments Sacatepéquez, eine Zweigstelle eröffnet - die erste Beratungsstelle mit integraler Betreuung für von Gewalt betroffene, zumeist indigene Frauen und Mädchen überhaupt in dieser Region, die eine der höchsten Fallzahlen von Gewalt gegen Frauen in Guatemala aufweist. 

In den beiden Departments zusammen leben ca. 1 Million Menschen, die meisten davon auf dem Land. Die Bevölkerung ist insgesamt sehr jung (in Chimaltenango liegt der Durchschnitt sogar bei nur 16 Jahren). Die indigene Bevölkerung ist auch hier besonders von Armut betroffen; dabei ist Chimaltenango der „Garten Guatemalas“ mit hoher landwirtschaftlicher Produktion, und Sacateqéquez verfügt mit dem berühmten Antigua, der pittoresken früheren Hauptstadt Guatemalas, über das Reiseziel Nr. 1 in Guatemala. Weil der Tourismus eine wichtige Einnahmequelle darstellt, wird über das Problem geschlechtsbasierter Gewalt allerdings wenig gesprochen.

Das Projekt: Integrale Betreuung für von Gewalt betroffene Frauen und Mädchen und Verbesserung ihrer Lebensbedingungen

Neben ihrer medizinischen und psychologischem Behandlung können die Nutzerinnen der beiden Beratungszentren an Selbsthilfe- und Therapiegruppen teilnehmen. Besonders geschätzt wir die kulturell angepasste Betreuung und die Möglichkeit, sich in der Maya-Sprache Kaqchikel auszudrücken. Ein weiterer Schwerpunkt der integralen Betreuung ist die kostenfreie Rechtsberatung und Begleitung bei gerichtlichen Verfahren. Im Frauenhaus von ASOGEN finden Betroffene und ihre Kinder in akuten Notsituationen Schutz.

Die meisten Frauen und Mädchen sind wirtschaftlich vollständig abhängig von ihren Aggressoren. Diese Situation wurde durch die Covid-19-Pandemie noch verstärkt. Daher wurde ein Pilotprojekt zur Generierung von eigenem Einkommen geschaffen, an dem 200 Frauen teilnehmen werden.

Ein weiteres Element des Projektes in den Departments Chimaltenango und Sacatepéquez ist die Heranbildung männlicher Unterstützergruppen gerade auch im ländlichen Raum: Die männlichen Teilnehmer durchlaufen einen Sensibilisierungsprozess, in der das Recht der Frauen auf ein Leben frei von Gewalt propagiert wird und die Männer an ein neues Rollenverständnis im Sinne `Positiver Männlichkeit´ herangeführt werden. Teilnehmer sind häufig indigene Autoritätspersonen, die in ihren jeweiligen Gemeinden Vorbilder und Multiplikatoren sind. Flankiert werden diese Maßnahmen durch Kurse, die Tipps zur Ernteverbesserung geben, und an denen auch Frauen teilnehmen.

Durch Advocacy-, Netzwerk- und Öffentlichkeitsarbeit wird Gewalt gegen Frauen auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen thematisiert. Es werden Kurse für Justizangehöre zur Verbesserung des institutionellen Betreuungspfads für Frauen, die ihren Fall zur Anklage bringen, abgehalten. Auch eine Fortbildungsreihe zum gleichen Thema für zivilgesellschaftliche und staatliche Einrichtungen ist geplant, ebenso wie Veranstaltungsreihen für die interessierte Öffentlichkeit und eine Social-Media-Kampagne.

Projektinformationen

Projektinhalt
Integrale Betreuung von geschlechtsbasierter Gewalt betroffener Frauen und Mädchen, Prävention durch Aufklärungs- und Lobby-Arbeit, sowie Netzwerk- und Advocacyarbeit in den Departments Chimaltenango und Sacatepéquez, Guatemala
Projektgebiet
Guatemala; Departments Chimaltenango und Sacatepéquez (u.a. in dessen Department-Hauptstadt Antigua)
Projektbeschreibung
  • Integrale Betreuung betroffener Frauen und Mädchen an zwei Standorten: Psychologische, juristische, medizinische und sozioökonomische Beratungen, Selbsthilfegruppen
  • Begleitung der Frauen und Mädchen bei der Durchsetzung ihrer Rechte vor Gericht
  • Betrieb eines Frauenhauses für akute Notfälle
  • Einkommensschaffende Maßnahmen für betroffene Frauen
  • Vermittlung neuer Rollenbilder für Männer: „Positive Männlichkeit“
  • Schulungen zur Verbesserung der Betreuung der von Gewalt betroffenen zumeist indigenen Frauen und Mädchen, für Justizangehörige
  • Kampagnenarbeit: Veranstaltungen und Social Media
  • Politische Netzwerk- und Advocacy-Arbeit
Projektlaufzeit
Oktober 2021 - September 2024
Projektvolumen
436.428 Euro
Partner
Asociación Generando Equidad, Liderazgo y Oportunidades (ASOGEN)
Projektförderer
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)
Projektnummer
6000223
Verantwortlich für
das Projekt
Andrea Drost