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Gemeindestärkung und Verbesserung der Ernährungssicherung in abgelegenen Regionen Venezuelas

Die politische Situation in Venezuela hat in den letzten Jahren zu einem Zusammenbruch der staatlichen institutionellen Kapazitäten sowie der Binnenwirtschaft und des Außenhandels geführt. In Folge haben Millionen von Menschen ihre Lebensgrundlage verloren, die Armut stieg rapide an und die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander. 7,1 Millionen Venezolaner:innen haben bisher das Land auf Grund dieser komplexen Humanitären Krise verlassen.

Die Menschenrechtslage ist schlecht, grundlegende soziale und politische Menschenrechte sind nicht gewahrt. Besonders dramatisch ist die Situation für indigene Bevölkerungsgruppen: Die indigenen Rechte sind zwar in der Verfassung verankert und diverse Gesetze speziell für indigene Völker und Gemeinschaften verabschiedet, doch sieht es in der Realität oft anders für die 51 indigenen Völker aus, die in Venezuela leben. Hinzu kommt, dass die indigenen Organisationen gespalten sind. Eine nationale indigene Bewegung, die ihren Widerstand gegen Missstände mit geeinter Stimme formulieren würde, besteht in Venezuela seit Jahrzehnten nicht mehr.

Die drei Projektregionen

Die erste Projektregion liegt im Cataniapo-Becken südöstlich von Puerto Ayacucho, der Haupstadt des Bundesstaates Amazonas, im Munizip Atures. Durch die Grenznähe ist das Gebiet Rückzugsort von Dissidenten kolumbianischer bewaffneter Gruppen. Seit drei Jahren wird in der Region auch zunehmender Drogenhandel sowie illegaler Bergbau beobachtet.

In den 20 Gemeinden leben rund 5.400 Menschen. 95% der Bevölkerung ist indigen. Die Ernährungssicherheit ist kritisch, 90% der Bewohner:innen nehmen nur zwei Mahlzeiten pro Tag zu sich. Die Familien leben hauptsächlich von Subsistenzlandwirtschaft und bauen auf ihrem eigenen Stück Land für ihre Versorgung Gemüse an und halten sich Nutztiere wie Hühner. Viele versuchen aufgrund der fehlenden Arbeitsmöglichkeiten, sehr eingeschränkten Gesundheitsversorgung, keinem Zugang zu sauberem Wasser und angemessenen sanitären Bedingungen und einer instabilen Stromversorgung wegzuziehen.

Die zweite Projektregion befindet sich in der Region Alto Apure und umfasst alle 17 Gemeinden der Diözese Guasdualito an der Grenze zu Kolumbien. Durch diese Grenzsituation ist die Region besonders von Kriminalität, Schwarzhandel, Drogenhandel, Menschenhandel und Konflikten mit eindringenden bewaffneten Akteuren aus Kolumbien geprägt. Die Bevölkerung ist kulturell divers und setzt sich vor allem aus indigener Bevölkerung, hinzugezogenen Hochlandbewohner:innen sowie Kolumbianer:innen zusammen. Rund dreiviertel der Bevölkerung in dieser Region lebt von der Landwirtschaft. Gestiegene Migrationsbewegungen in der Region führen zum Anstieg der Lebensmittelpreise, zwischen 2019 und 2021 die Mangelernährung in der Region besorgniserregend zugenommen. Ein weiteres Problem: Die landwirtschaftliche Produktion nimmt in den ländlichen Gebieten der Projektregion stetig ab. Gründe hierfür sind unter anderem fehlende Pläne zur ländlichen Entwicklung, ungünstige klimatische Bedingungen (Dürren gefolgt von Überschwemmungen), unkontrolliertem Einsatz von Agrochemikalien und fehlende Vermarktungsstrukturen.

Das dritte Projektgebiet liegt im Süden des Bundesstaates Bolivar, am oberen Flusslauf des Rio Caura. Diese Region, Bajo Caura genannt, besteht aus 18 Gemeinden mit ca. 5.000 Bewohner:innen, in der Mehrheit indigene Bevölkerung verschiedener Ethnien. Neben dem Fischfang und der Subsistenzwirtschaft stellt der Abbau von Edelmetallen, vor allem Gold, einen wichtigen Wirtschaftsfaktor dar. Geprägt wird das Ökosystem und die Sozialstruktur des Gebietes von den Auswirkungen des unregulierten Goldabbaus, bei dem Quecksilber in unkontrolliertem Maße in die Gewässer gelangt. Da die Ernährungsgrundlage der Bevölkerung in großem Maße auf Fischfang basiert, sind die Bewohner:innen durch den Konsum von quecksilberangereichertem Flussfisch der Gefahr einer Vergiftung ausgesetzt – insbesondere für schwangere Frauen ein großes Risiko. Ein Problem: Die Bewohner:innen kennen aktuell keine Praktiken zur Kultivierung alternativer Proteinquellen, zudem  fehlt es an Lebensgrundlagen als Alternativen zum Bergbau.

Das Projekt: Nachhaltige Entwicklung, Ernährungssicherung und Gesundheit

Das Projekt konzentriert sich auf die Stärkung der lokalen Kapazitäten in drei Projektregionen, um Dorfgemeinden in die Lage zu versetzen, nachhaltige Entwicklungsprozesse eigenständig zu starten und umzusetzen. Dabei werden die Initiativen der Dorfgemeinden individuell gestaltet, wobei das Projekt bei der Problemanalyse, Maßnahmengestaltung und Reflexion sowie durch landwirtschaftliche Unterstützung hilft. Diese agrarökologischen Initiativen basieren auf lokalem Wissen und sollen an die kulturellen und klimatischen Bedingungen der Regionen angepasst sein. Erfolgreiche Praktiken werden dokumentiert und in Pilotgemeinden vorgeführt.
Das Projekt sieht vor, lokale Mitarbeiter als Gemeindetrainer auszubilden, die wiederum in ihren Gemeinden Entwicklungsprozesse initiieren. Die Auswahl dieser Personen erfolgt in Zusammenarbeit mit den Zielgruppen, wobei eine angemessene Beteiligung von Frauen und die Berücksichtigung kultureller Genderrollen gefördert werden.

Projektinformationen

Projektinhalt
Gemeindestärkung und Verbesserung der Ernährungssicherheit indigener und kleinbäuerlicher Gemeinden in drei abgelegenen Regionen Venezuelas
Zielgruppe
Direkt: 3.450 Personen (Kleinbäuerliche, Indigene und afro-indigene Bevölkerung in ländlichen Gebieten) , indirekt: 12.390 Personen
Projektgebiet
Bundesstaat Amazonas, Apure/Barinas und Bolívar, Venezuela
Projektbeschreibung
Schulungen zur Verbesserung der ökologischen Landwirtschafts- und Viehhaltungspraktiken; Ausbildung von Führungspersonen zur Förderung von landwirtschaftlichen Gemeinschaftsinitiativen für ein solidarisches Miteinander innerhalb der Gemeinden; Ausarbeitung und Durchführung von Schulungskonzepte und Workshops zur Förderung der Bürgerbeteiligung zum Schutz des Lebens, der Gesundheit und der Ernährungssicherheit in den 3 Projektregionen; Schulungen, Beratung und Begleitung zur Förderung des effektiven Managements und Durchführung von nachhaltigen Entwicklungsprozessen und Stärkung der Bürgerbeteiligung
Projektlaufzeit
Juli 2023 - Oktober 2026
Projektvolumen
1.111.064 Euro
Partner
Asociación Civil Oficina de Derechos Humanos del Vicariato Apostólico de Puerto Ayacucho (Oficina DDHH) im Lead, Cáritas Guasdualito, Clima 21
Projektförderer
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)
Projektnummer
6000233
Verantwortlich für
das Projekt
Christina Padilla