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Togo-Reise 2013

Zum ersten Mal reiste Anke Engelke 2013 mit action medeor nach Togo.

Zum ersten Mal reiste Anke Engelke 2013 mit action medeor nach Togo. © action medeor / Boris Breuer

2013 reiste Anke Engelke mit action medeor nach Togo und besuchte hier ein Projekt zur Prävention von Malaria und HIV/Aids. Wie so oft führte sie auf der Reise Tagebuch. Anschaulich schildert sie darin ihre Eindrücke des Landes und der Menschen.

Reisebericht aus Togo, 2013

Tag 1: Endlich wieder Afrika!

Seit Dienstag bin ich mit action medeor in Westafrika: in Togo. Unglaublich: Meine erste Afrikareise führte mich vor genau 10 Jahren nach Benin, eins der Nachbarländer von Togo! Und die Grenze zu Ghana ist von unserem Hotel hier in der Hauptstadt Lome nur 800 Meter entfernt! Togo - wir sind wirklich mitten in Westafrika!

Wir sind zu fünft hier: Angela, „Miss ÖA“, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit; Boris, der beste Fotograf nicht nur für Reisen wie diese, und Susanne, erfahrene Projektleiterin, die hier an die neue Togo-Referentin Andrea übergibt - eine Spitzentruppe, engagiert, neugierig und herzensgut! Gemeinsam besuchen wir ein Projekt, das action medeor mit der lokalen Organisation 2AD umsetzt: es geht um die Prävention von Malaria und um HIV/Aids. Beide Krankheiten betreffen viele Menschen hier in Togo und wir müssen dringend helfen.

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Nach einem kurzen Frühstück sind wir mit 2 Kollegen von 2AD, Koffi und Koumana, nach Davedi gefahren, einem ländlichen Ort, ungefähr 1 1/2 Autostunden von Lomé entfernt. Unser erster Programmpunkt in Togo: eine große Aufklärungskampagne (mehr zum Gesundheitsprojekt) für Davedis Einwohner, vom Opa bis zum Baby. Ich glaube, das waren mindestens 200 Leute da unter dem provisorischen Palmblätterdach. Und der Empfang war umwerfend! Wir wurden von einer Delegation rund um einen der Dorfältesten begrüßt, mit einem rätselhaften Getränkeritual, das Alkohol und eine interessante weisse Brühe beinhaltete, VON DER WIR GLüCKLICHERWEISE NICHT KOSTEN MUSSTEN. 30 kostümierte Frauen sangen und tanzten, 3 Jungs fürten einen modernen und saucoolen Tanz vor und ich wurde neu eingekleidet: eine zauberhafte Lady wickelte mich ein in 2 wunderschöene togoische (Achtung! Es heisst tatsächlich „togoisch“ und „Togoer“ bzw "Togoerin") Tücher und schmückte mich mit Kette und Armband. Trotz der 30 Grad ein Traumoutfit! Koffi und Koumana haben mit Hilfe von Schautafeln und Moskitonetzen demonstriert, wie Malaria verhindert werden kann und was bei einer Erkrankung zu tun ist.

Zweites wichtiges Thema: Wie kann eine Ansteckung mit HIV durch die Nutzung von Kondomen verhindert werden? Die sehr anschauliche Demonstration (jugendfrei war das nicht, aber SEHR verständlich!) war informativ, zweisprachig (französisch für uns, togoisch für alle anderen) und alle Gäste waren bei der Sache. Sehr ermutigend! Die Erfolge der Aufklärungsaktionen sind beeintruckend: schwere Malariafälle sind im Projektgebiet rücklaufig. Eine weitere gute Nachricht: die HIV-Neuinfektionsrate in Togo ist in den letzten Jahren zurückgegangen. Dazu tragen auch wichtige Projekte wie diese bei. Wir waren stolz auf unsere 2AD-Freunde und voller Freude über die herzliche Aufnahme durch die Leute von Davedi.

Auf dem Rückweg zum Hotel machten wir einen Wasser- und Obststopp und in unseren Autos wurde im Wechsel begeistert geschwärmt oder still geträumt. Morgen steht der Besuch einer großen Gesundheitsstation auf unserem Programm. Ich bin so gespannt. Und müde.

Tag 2: Donnerstag ist geboren!

Mein zweiter Tag in Togo beginnt mit einer Tasse Tee und einer köstlichen togoischen Banane. Wir möchten auf der Fahrt zu unserem ersten Tagesziel frisches Brot kaufen: die Franzosen haben hier Spuren hinterlassen, die Backwaren sind très francais! Beim Frühstück im Hotelinnenhof beobachten wir die Geckos und sie uns, und wir brüllen uns bei der Planung des Tages wieder ordentlich an: der hoteleigene Wasserfall ist kein Freund der Stille. Mit Koffi und Koumana, den beiden Leitern der Partnerorganisation 2AD, fahren wir entlang der ghanaischen Grenze Richtung Norden, nach Tovegan. Außer uns sind hunderte kleiner Mopeds unterwegs, Transportmitel Nr. 1 hier: billiger als ein Taxi und erstaunlich belastbar, mit riesengroßen Säcken, Körben und Kanistern. Nicht alle Straßen sind asphaltiert, oft führen rote erdige Wege zur nächsten Straße. Alle fahren scheinbar rücksichtslos und kreuz und quer, doch auch wenn das Fahrverhalten chaotisch anmutet, es scheint gutzugehen, es wird einfach viel gehupt und sportlich bis waghalsig ausgewichen.

Nach fast 2 Stunden Fahrtzeit erreichen wir Tovegan. Keine Stadt, eher ein Ort mit vielen kleinen Hütten, davor kleine Verkaufsstände: Obst, Benzin für die Motorräder und Körbe. Mir fällt eine kleine Weberei auf, die leuchtenden Farben der Garne hauen mich um! Was für ein Kontrast zwischen der roten Erde, den vollgestaubten Blättern der Pflanzen und Bäume und dem grellen Gelb, dem Neonlila und dem kräftigen Türkis!

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Der Leiter der Gesundheitsstation erwartet uns mit seinem kleinen Team, gemeinsam gehen wir zur Aufklärungsaktion auf der anderen Straßenseite. In einer Open Air-Halle sitzen bereits ungefähr 100 interessierte Männer und Frauen, die Veranstaltung beginnt mit der Begrüßung der anwesenden Offiziellen und unserer Gruppe. Dann: ein Film über Malaria. Kleiner Monitor und ein Grottensound, dennoch sind alle hochkonzentriert und aufmerksam. Ich verstehe nicht viel, der Film ist in Ewe, einer der 40 Sprachen dieses kleinen Landes. Der zweite Film thematisiert HIV/Aids, anschließend werden Fragen aus dem Publikum beantwortet. So muss Aufklärung sein! Wie stolz ich auf Koffi bin, der geduldig und eloquent erklärt. Wie wichtig Leute vor Ort sind, die die Probleme erkennen und initiativ werden!

Miriam, eine der drei Gesundheitshelferinnen, nimmt uns nach der Veranstaltung mit auf ihren "Dienstgang", in die umliegenden Hütten. Wir lernen Phelomena kennen, sie war vor zwei Wochen an Malaria erkrankt, hat die Krankheit aber dank der Diagnose im Gesundheitszentrum schnell in den Griff bekommen. Wir treffen viele Menschen, die jede Nacht Schutz unter ihren Netzen finden. Egal, ob sie auf dem Boden oder in einem Bett schlafen. Und ganz neu: wer kein Bett hat oder keinen Platz zum Schlafen findet bei so vielen Familienmitgliedern, schläft unter einem Tisch über den ein großes Moskitonetz gelegt wird!

Am Nachmittag essen wir auf der Terrasse der Gesundheitsstation unser frisches Brot, Avocados und Mangos. Wie schade, dass wir so hungrig sind: wir verpassen ein sehr besonderes Ereignis, denn keine 20 Meter weiter kommt ein kleiner Junge zur Welt und wir kommen nur wenige Minuten zu spät! Der neue Mensch heißt Donnerstag! Das ist eine Tradition in Teilen Togos, dass Kinder heißen wie der Tag, an dem sie geboren wurden. Nur anhand ihres zweiten Vornamens kann man die Kinder voneinander unterscheiden. Koffi, zum Beispiel, unser lieber Begleiter, heisst "Freitag"! Jetzt bestaunen wir Donnerstag und die coole Mutter, die 2 Stunden vor der Geburt mit dem Mopedtaxi angekommen war. Alle sind wohlauf. Auch ohne High-Tech-Kreißsäle und Wellnessbad vor der Geburt. Dafür ohne Strom und ohne fließendes Wasser.

Wir verabschieden uns vom lieben Team der Krankenstation und fahren zur kleinsten Radiostation, die ich je gesehen habe. Radio 90,5 FM. Gesendet wird in Französisch und Ewe, aber auch in Englisch, für die Zuhörer in Ghana. Elias erwartet uns bereits und ZACK sitzen Koffi und ich für ein Liveinterview im Studio. Zu meinen Ehren wird deutsche Musik gespielt und ich freue mich schon auf ordentliche Rumsmucke, hoffentlich was von Kraftklub, doch ich werde noch reicher beschenkt: mit dem Choral "Bleib bei mir, Herr"! Koffi berichtet über die Arbeit von 2AD, ich erzähle von meiner Zusammenarbeit mit action medeor und rufe alle Zuhörer dazu auf, die Aufklärungsveranstaltungen von 2AD zu besuchen. Denn je mehr die Menschen hier über Malaria wissen, desto besser können sie sich schützen.

Wir fahren vollgepumpt mit neuen Eindrücken zurück nach Lomé und freuen uns auf unseren dritten Tag in Togo. Dass es zugleich unser letzter Tag hier ist, spricht auch beim gemeinsamen Abendessen niemand aus.

 Tag 3: So viele Kinder haben Malaria - Dr. Lantame hilft

Tag 3 in Togo beginnt, dabei habe ich die Bilder, Eindrücke und Gespräche der vergangenen beiden Tage noch gar nicht fertig sortiert! Klar ist: wir haben gesehen, wie Malariaaufklärung funktioniert, wenn ein Team - in unserem Fall die action medeor-Partner 2AD - engagiert und motiviert arbeitet. Und wir haben gesehen, dass die Menschen, mit denen wir in der Projektregion sprachen, Moskitonetze nutzen und wachsam sind, falls dennoch Malariasymptome auftauchen. Aber wie sieht der Alltag in einer größeren Gesundheitsstation aus? Wieviele Menschen suchen wirklich Hilfe und kommen mit Malariasymptomen in die Stationen? Gibt es genügend Medikamente, um sie zu versorgen?

Gemeinsam mit Koffi und Koumana fahren wir nach Baguida, einem Ort etwa eine halbe Stunde östlich von Lomé. Als wir dort ankommen, sind die Gänge der Gesundheitsstation bereits rappelvoll. Das ist ein bleibendes Bild: ein schlichter unbeleuchteter Flur, man hört kein Weinen, nur das Arbeitsgeklapper aus den angrenzenden Zimmern. Und im Halbdunkel dieses Warteflurs kann ich erst nach einigen Sekunden die mir inzwischen vertrauten leuchtenden Farben der Kleider erkennen, ungefähr 20 oder 30 Frauen und viele kleine Kinder. Viele der Frauen sind schwanger, einige haben sich auf den gekachelten Bänken ein wenig ausgestreckt, die Kinder sind ebenso geduldig und still wie sie. Dabei hätten viele Grund zur lauten Klage, denn die meisten Wartenden sind an Malaria erkrankt. Eine abgemagerte junge Frau steht dann und wann auf, um sich im Innenhof in den Sand zu übergeben. Ich folge ihr, sie erbricht nur Wasser und schüttelt nur langsam den Kopf, als ich frage, wie ich helfen koenne. Ein kleiner Lichtblick: um ihr Baby kümmert sich ein Mann, offenbar ihrer, er ist immer in ihrer Nähe, sowas sieht man hier selten.

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„Alleine im letzten Jahr hatten wir über 5.000 Malariafälle,“ sagt Dr. Lantame, der ärztliche Leiter der Gesundheitseinrichtung. Die Patienten kommen aber auch mit Magen-Darm-Erkrankungen, Atemwegsinfektionen und Verletzungen.

action medeor ermöglicht es Dr. Lantame, die Malariamedikamente an Familien, die sie sich nicht leisten können, kostenfrei abzugeben. Das ist wichtig, denn sonst bleiben die Kranken zu Hause und riskieren, an der Malaria zu sterben.

Ilenia ist 6, ihre Mutter hat sie wegen der typischen Malariasymptome in die Krankenstation gebracht. Die Blutuntersuchung hat gezeigt, dass die Fieberschübe von einer schweren Malariainfektion kommen. Jetzt warten Ilenia und ihre Mutter auf die weitere Behandlung.

Celine ist Ende 30. Sie trägt stolz eine der unförmigen blauen Westen, die ich inzwischen so gut kenne, mit je einem Logo von 2AD und action medeor. Sie nimmt mich lächelnd an die Hand und führt mich durch die Krankenstation. Ein gut ausgestattetes Labor (da Strom und fließendes Wasser vorhanden sind, können sogar kompliziertere Untersuchungen vorgenommen werden - ich muss an den hübschen Laboranten in Tovegan denken, der die Malariaschnelltests nur durchführen kann, wenn die Sonne scheint, da sein Mikroskop mit einem Spiegel funktioniert), einige saubere Behandlungszimmer, einige Krankenzimmer. Celine hilft, als einem einjährigen Jungen ein Tropf gelegt werden muss. Sein Mund ist durch die Malaria stark entzündet. Er will sich wegen der großen Schmerzen nicht stillen lassen, braucht aber dringend Flüssigkeit, Nährstoffe und Medikamente. Der Arzt findet an seinen dünnen Knöcheln keine Vene, in der Armbeuge ist er schließlich erfolgreich, doch der kleine Junge strampelt und wehrt sich weinend. Celine assistiert, hält vorsichtig aber bestimmt den kleinen Arm, hilft beim Anlegen einer provisorischen Schiene, doch als der Arzt den Jungen pieksen muss, schaut sie weg. Wir schauen uns kurz an und denken vielleicht dasselbe.

In der Apotheke arbeitet Kodjo. Trotz der vielen wartenden Patienten bleibt er ruhig und berät geduldig. Kodjo verteilt scheinbar ununterbrochen Malariamedikamente. Ich bin froh: seine Schränke sind gefüllt, action medeor hilft und ich bin stolz auf das Team der Station, unsere kleine deutsche Delegation und die Menschen zuhause, die spenden und uns vertrauen.

Am Nachmittag fahren wir weiter nach Avepozo. Koffi und seine Kollegen führen uns zum Haus von Dela und ihrer Familie. Auf dem Weg dorthin sehen wir überall Plastikmüll. Ich kenne die schwarzen dünnen Tüten gut, auch wir haben unser Obst darin gekauft. Die weißen und durchsichtigen kleinen Tüten sind Getränkebeutel, sie werden von Verkäuferinnen, die mit riesigen Blechschalen auf dem Kopf Dutzende davon transportieren, auf der Straße angeboten. Ich verstehe: viele Anwohner werfen ihren Plastikmüll einfach auf die Strasse, so sind auf unbebauten Grundstücken richtige Müllhalden entstanden. Für Plastik gibt es hier noch kein Recycling. Wir stampfen schweigend und betroffen durch die Müllhaufen, wir sind wütend. Wir befragen Koffi und Koumana, auch sie zerbrechen sich den Kopf darüber, wie man dieses Problem in den Griff bekommen kann. Wir kommen an bei Delas kleinem Hof. Sie entsorgt ihren Hausmüll selbst, weil sie weiß, dass die herumliegenden Plastiktüten willkommene Brutstätten für Malariamücken sind. Sie erzählt, dass sie ihre vier Kinder mit Einbruch der Dunkelheit ins Haus schickt, damit sie nicht gestochen werden. Das heißt: gegessen wird um 17Uhr, die Hausaufgaben werden unterm Moskitonetz gemacht, danach geht es früh ins Bett. Sie möchte sicher gehen, dass keines der Kinder an Malaria erkrankt. Delas Familie lebt bescheiden. Ihr Haus hat 2 stickige dunkle Zimmer (2 Moskitonetzte - CHECK!), ein paar mickrige Sträucher stehen im Sammelsurium-Innenhof, zehn große und kleine Ziegen knabbern an Palmenblättern und Körnern (und an einem Buch, das seltsam verlassen in einer Ecke liegt), doch sie möchte uns beschenken und lässt von der Kokospalme vor ihrem Hof zehn Kokosnüsse für uns pflücken und öffnen. Lecker!

Nach einem kurzen Zwischenstopp auf dem Markt in Lomé fahren wir ins Hotel, wir müssen noch packen. Ein letztes kleines Abendessen (Avocados, frisch und köstlich) und dann nehmen wir Abschied von unseren fleißigen Helden Koffi und Koumana, und von den superaktiven Ladies Susanne und Andrea, die eine weitere Woche bleiben, um die anderen Projektpartner von action medeor zu besuchen!

Aus Lomé, Togo, grüßt alle Freunde und Unterstützer:

Anke Engelke