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Stärkung von Menschen im Fluchtkontext: Friedensförderung und Verbesserung der psychischen Gesundheit in Kolumbien

© action medeor

Kolumbiens Gesellschaft ist von historischen Ungleichheiten geprägt, welche in der Kolonialzeit ihren Ursprung haben und sich bis heute in Besitz- und Machverhältnissen widerspiegeln, die große Teile der Bevölkerung ausschließen, insbesondere afrokolumbianische und indigene Bevölkerungsgruppen sowie Frauen. Die daraus folgende Armut, Chancenlosigkeit und Ungerechtigkeit führen zu Gewalt, der Suche nach alternativen Einkommensmöglichkeiten im informellen Sektor und organisierter Kriminalität.  Die angespannte Situation wird verschärft durch eine hohe Binnenmigration und die Aufnahme vieler venezolanischer Flüchtlinge in den letzten Jahren, sowie den Auswirkungen und Folgen einer Reihe von Naturkatastrophen.

Die Projektregionen

Das gemeinsame Projekt von action medeor und den lokalen Partnerorganisationen Taller Abierto und CDP wird in zwei Gebieten Kolumbiens durchgeführt: im Süden, in den Departements Valle del Cauca und Cauca und im Norden in der kolumbianischen Karibik in den Departements Bolivar und Atlántico.

Der über 50 Jahre anhaltende bewaffnete Konflikt zwischen der FARC-Guerilla und staatlichen Streitkräften wurde 2016 mit einem Friedensvertrag zwischen der FARC und dem kolumbianischen Staat beendet. Leider führte diese Entwicklung nicht zu einem anhaltenden Frieden: Es entstand ein Machvakuum, eine Intensivierung des bewaffneten Konfliktes mit einer Vielzahl nichtstaatlicher bewaffneter Akteure und zunehmender Gewalt, Drohungen und Vertreibungen. Innerhalb dieses Konfliktes sind Frauen und junge Mädchen auf mehrfache Weise von Gewalt und Diskriminierung betroffen, Übergriffe und häusliche Gewalt gegen Frauen und Mädchen nehmen zu.

Ein weiteres Problem: Nahezu 50 % der jungen Menschen in Kolumbien berichteten über ein Gefühl der Stagnation in Bezug auf ihre emotionale, wirtschaftliche, berufliche, persönliche Sicherheit und gesundheitliche Situation.
In den ländlichen Gebieten der Projektregionen im Cauca leiden viele Familien über einen Unzureichenden Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und ausreichendem Wohnraum. Die Mehrheit der Bevölkerung ist in der Landwirtschaft, im Haushalt und im Handwerk tätig, viele indigene Kolumbianer:innen leben in unsicheren Arbeitsverhältnissen.

Die im Norden Kolumbiens auf der Karibikseite gelegene Projektregion liegt in den Departments Atlántico und Bolivar mit der Metropole Cartagena. Historisch ist die Region stark von den internen bewaffneten Konflikten im Land betroffen. In den vergangenen Jahrzehnten wanderten viele Kolumbianer:innen aus anderen Regionen des Landes in den Norden und teilweise ins Nachbarland Venezuela, in jüngster Zeit kehrten aufgrund der dramatischen Situation in Venezuela viele nach Kolumbien zurück, gemeinsam mit venezolanischen Geflüchteten.

Das Projekt

Der erste Schwerpunkt des Projektes besteht darin, Menschen im Fluchtkontext, ihre Aufnahmegemeinden und vom internen Konflikt betroffene Frauen, jungen Menschen und indigenen Gemeinden einen besseren Zugang zu Basisgesundheitsversorgung zu ermöglichen und Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheit und Friedensförderung umzusetzen.

Dazu werden unter anderem Sensibilisierungsmaßnahmen zur Konfliktbearbeitung und Versöhnung durchgeführt. Um die Wirkung des Projekts zur Prävention akuter Fluchtursachen zu verstärken und mehr Menschen zu informieren und zu sensibilisieren, wird die Radiosendung „Viva la gente“ einmal wöchentlich in zwei Radiostationen ausgestrahlt.

Zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in ländlichen Gebieten von Montes de Maria und Canal de Dique werden fünf Munizipien mit dem größten Bedarf im Gesundheitsbereich ausgewählt. Fünf Gesundheitsposten dieser Munizipien werden durch kleineren Renovierungsmaßnahmen und die Bereitstellung von notwendigem medizinischem Material zu funktionalen Gesundheitsposten für die Bevölkerung der Zielgruppe rehabilitiert. Um eine angemessene Gesundheitsversorgung zu gewährleisten, wird zudem das medizinische Personal der Einrichtungen geschult und in den ausgewählten Munizipien Gesundheitspromotor:innen ausgebildet, welche in selbstverwalteten Teams die mobile Gesundheitsversorgung des lokalen öffentlichen Gesundheitssystems unterstützen, z.B. in Form von Gesundheitskampagnen und außerplanmäßigen Sprechstunden.

In den Projektregionen Montes de Maria und Canal de Dique werden außerdem 100 Hausgärten mit Heilpflanzen angelegt und die Menschen durch begleitendende Workshops im Umgang und Gebrauch von erwiesenen traditionellen Heilmethoden und –pflanzen geschult.

In den ländlichen Regionen von Montes de Maria und Canal de Dique wird ein Ernährungsprogramm etabliert: 250 Kinder unter 5 Jahren mit Risiko auf Unterernährung werden für das Ernährungsprogramm ausgewählt, begleitet wird die Behandlung und Beratung von medizinischem Fachpersonal und Ernährungsspezialist:innen.

Ein weiteres Ziel des Projektes besteht darin, betroffene von sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt zu beraten und zu unterstützen und die psychische Gesundheit der Menschen im Kontext aus Flucht und Gewalt zu stärken. Dazu werden Beratungen und psychosoziale Unterstützung in Form von Gruppen- oder Einzelsitzungen abgehalten. Je nach Kontext geht es dabei um Fragen des friedlichen Zusammenlebens in der Familie, um Kindererziehung oder Verhalten in und Umgang mit sexuellen Gewalterfahrungen, bis hin zu Suizidprävention.

Um die Lebensbedingungen speziell von Frauen und Jugendlichen zu stärken und wirtschaftliche Eigenständigkeit zu fördern, werden unter anderem Frauen in der finanziellen Unabhängigkeit unterstützt und der Erfahrungsaustausch unter Unternehmer:innen gefördert. Die Aktivitäten sollen dazu beitragen, vor allem Binnenvertriebene, venezolanische Geflüchtete und Rückkehrende zu unterstützen, damit sie ihre finanzielle Eigenständigkeit erlangen können und dadurch die lokale Wirtschaft innerhalb der indigenen Gemeinschaften und Gemeinden zu beleben.

In der nördlichen Projektregion werden Maßnahmen zur Stärkung von landwirtschaftlichen Familienunternehmen umgesetzt, unter anderem durch angebotene Schulungen zu nachhaltiger Landwirtschaft und die Verteilung von Saatgut. Die Universitäten Sinu und Universidad del Atlántico begleiten das Projekt beratend und erstellen gemeinsam eine Studie zu möglichen Wertschöpfungsketten und Marktzugang. Insgesamt profitieren von dieser Aktivität 3.000 Personen direkt.

Die Partnerorganisationen

Taller Abierto wurde 1992 als gemeinnützige Organisation gegründet. Bereits seit mehr als 15 Jahren führen action medeor und Taller Abierto gemeinsam Projekte in Kolumbien durch, insbesondere in den Bereichen Frauenrechte, Prävention von geschlechtsbasierter Gewalt und Betreuung von Menschen mit Fluchterfahrung.

Zweiter lokaler Projektpartner ist die Organisation CDP (Corporación Desarrollo y Paz del Canal del Dique y Zona Costera), die 2009 als Zusammenschluss der katholischen Kirche mit Universitäten und Betrieben des privaten Sektors in der Stadt Cartagena gegründet wurde. CDP führt in Kolumbien, insbesondere in der kolumbianischen Karibikregion, Projekte hauptsächlich mit jungen Menschen, Frauen, Vertriebenen, Rückkehrenden, venezolanischen Migrant:innen, Aufnahmegemeinden und vulnerablen Bevölkerungsgruppen durch. 2019 startete das erste gemeinsame Projekt von action medeor und CDP, um venezolanische Flüchtlinge in Cartagena medizinisch zu versorgen und zu beraten.

Projektinformationen

Projektinhalt
Resilienzstärkung von Menschen im Fluchtkontext durch Friedensförderung, Verbesserung der psychischen Gesundheit und politischen Teilhabe in Kolumbien
Zielgruppe
Direkt: 42.146 Personen (venezolanische Migrant:innen, kolumbianische Binnenvertriebene, Aufnahmefamilien und andere vulnerable Menschen), indirekt: 182.934 Personen
Projektgebiet
Departments Cauca und Valle del Cauca, Bolívar und Atlántico, Kolumbien
Projektbeschreibung
  • Ausbildung neuer Gesundheits- und Friedenspromotor:innen im Fluchtkontext
  • Sensibilisierungsmaßnahmen durch Gesundheits- und Friedenspromotor:innen im Fluchtkontext
  • Radiosendungen „Viva la gente“ zur Prävention akuter Fluchtursachen
  • Stärkung der Gesundheitsdienstleistungen im ländlichen Raum im Fluchtkontext
  • Unterstützung von Gesundheitskampagnen der lokalen Regierungen im Fluchtkontext
  • Gesundheitsprogramm Heilpflanzen und traditionelle Heilmethoden zur individuellen Unterstützung von Binnenvertriebenen, Flüchtlingen, Rückkehrenden und Menschen in Aufnahmegemeinden
  • Ausarbeitung eines Aktionsplans gegen GBV mit lokalen Behörden und der Zielgruppe zur Prävention und zum Schutz von Betroffenen
  • Etablierung eines Ernährungsprogramms für mangelernährte Kinder im Fluchtkontext
  • Beratung, psychosoziale Unterstützung und Rechtsbeistand für von sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt Betroffener
  • Gruppentherapiesitzungen zur Aufarbeitung von GBV
  • Beratung und Unterstützung von Gemeinschaftsinitiativen zur Bekämpfung von Fluchtursachen
  • Teilnahme an Treffen zur politischen Beteiligung und Interessenvertretung zu Flucht und Vertreibung
  • Ausbildung von Jugendlichen und Frauen zu Promotor:innen für den sozialen Wandel mit konfliktfreien Zusammenleben
  • Förderung von Frauen in Führungsrollen und Vernetzung von Fraueninitiativen mit Regierungsinstitutionen zur Bekämpfung von Fluchtursachen
  • Beratung und Unterstützung wirtschaftlicher Kleinstunternehmer:innen vor allem von Binnenvertriebenen, venezolanischen Geflüchteten und Rückkehrenden
  • Stärkung von landwirtschaftlichen Familienbetrieben
  • Stärkung der Planungsgremien für Ländliche Entwicklung im Fluchtkontext
  • Gemüsegärten und Fischkultur
  • Kapazitätsaufbau: Workshops und Austauschveranstaltungen im Binnenvertreibungs- und Fluchtkontext
  • Kapazitätsaufbau Austauschtreffen national & international im Binnenvertreibungs- und Fluchtkontext
Projektlaufzeit
Oktober 2022 - September 2027
Projektvolumen
3.332.927 Euro
Partner
Corporación Desarrollo y Paz del Canal del Dique y Zona Costera (CDP) und Taller Abierto (TA)
Projektförderer
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Lappe-Stiftung
Projektnummer
6000227
Verantwortlich für
das Projekt
Christina Padilla