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Podcast: ein Blick hinter die Kulissen

Ralf Deutzkens, Leiter der Intralogistik bei action medeor, ist verantwortlich für das 4.000 Quadratmeter große Medikamentenlager.

Ralf Deutzkens, Leiter der Intralogistik bei action medeor, ist verantwortlich für das 4.000 Quadratmeter große Medikamentenlager. © action medeor/J. Scheffler

Aus Tönisvorst in die Welt - wie wird die Medikamentenhilfe von action medeor abgewickelt?

Seit mehr als 50 Jahren versorgt action medeor aus dem Medikamentenlager in Tönisvorst Gesundheitseinrichtungen in armen Regionen der Welt mit Medikamenten und medizinischem Material. Aber wo kommen die Medikamente her und welche Logistik ist notwendig, um die empfindlichen Hilfsgüter zu den Empfängern zu bringen? Die Antworten geben action medeor Mitarbeiter Christoph Bonsmann und Ralf Deutzkens in unserem Podcast.

Der Podcast zum Nachlesen

Meine Damen und Herren, wir melden uns mit unserem Podcast der action medeor aus der großen Versandhalle in Tönisvorst. Wir wollen heute einmal über die Logistik berichten. Bei mir ist Vorstand und Apotheker Christoph Bonsmann.

Herr Bonsmann, ich habe auf der Seite von action medeor – medeor.de – einen online Shop für Medikamente gesehen. Ich gehe einfach mal davon aus, ich persönlich kann da keine Medikamente bestellen?


action medeor vorstand bonsmannDas haben Sie gut entdeckt! Wir werden ganz modern und Sie haben recht - Sie können da keine Medikamente bestellen. Das ist gedacht für unsere Partner in Entwicklungsländern – die auch modern, die mit der Zeit gehen, die digitalisieren und die jetzt online auf unser ganzes Sortiment zugreifen können; und dort Artikel auswählen können, die Mengen bestimmen können und damit eine Voranfrage bei uns auslösen. Das eben komplett online, was dem Verbraucher, dem Nutzer auf der anderen Seite, das Gefühl gibt, dass er noch näher an uns rankommt.

Also eine Krankenstation in Togo oder Sierra Leone bestellt bei Ihnen online. Was passiert dann?

Die Station aus Togo ist ein gutes Beispiel. Die hat vor 20 Jahren noch mit Brief bestellt auf Papierbögen – und mittlerweile sind sie eben auch ans Internet angeschlossen und möchten auf moderne Medien zugreifen. Fax ist auch quasi schon ausgestorben, das war lange Zeit üblich. Zurzeit wird eigentlich nur noch per Email bestellt oder eben eine Voranfrage online gestartet. Die Station in Togo zum Beispiel:  Sie hat einen Bedarf an Basismedikamenten – häufig nachgefragt werden Schmerzmittel und Antibiotika – die kann sie vorauswählen. Es sind ja alles Generika, die wir haben, niedrige Preise und qualitativ hochwertig. Sie kann dann sagen: ich hätte gern zehn Dosen Amoxicillin 250 Milligramm 8000 Tabletten pro Dose und Ibuprofen, Paracetamol und so weiter – und sieht dann am Ende auch schon was diese Menge an Arzneimittel kosten.

Woher beziehen Sie eigentlich die Medikamente, wie kommen die hier ins Lager?

Das ist eine ganz große Herausforderung für uns, weil unser Anspruch ist ja immer Qualität zu den günstigsten Preisen und zwar weltweit. Das heißt wir beziehen mittlerweile in China und Indien direkt den größten Teil unserer Arzneimittel, einen kleinen Teil noch in Europa. Wir selber auditieren die Arzneimittelhersteller in Indien und in China – auditieren heißt inspizieren – wir schauen, ob die Qualitätssicherungssysteme in Ordnung sind und schicken zusätzlich noch ein Zufallsmuster aus jeder bezogenen Charge in ein Kontroll-Labor, welches dieses Medikament noch mal auf Qualität prüft.

Wir stehen ja hier in dieser Halle, die ziemlich groß ist – ich glaube 4.000 Quadratmeter, richtig?

Ja, wir haben 4.000 Quadratmeter Lagerfläche hier in Tönisvorst.

Und hier sieht es aus wie so bei einem Versandhändler, es gibt Hochregale dort sind große Kartons gelagert - was ist hier alles gelagert?

Wir haben rund 170 verschiedene Basis-Arzneimittel, die beruhen alle auf Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation, und wir haben bestimmt 600 verschiedene Medizinprodukte medizinische Bedarfsartikel vom einfachen Plastikeimer, der im Not- und Katastrophenfall eingesetzt wird, bis zur Kanüle, Spritze oder Mullbinde ist hier alles im Sortiment vorhanden. 

Noch mal zurück zu dieser Bestellung aus Togo über die wir eben gesprochen haben: Wenn diese Bestellung eingegangen ist, geprüft ist, dann gibt es den Versandauftrag. Wie geht es dann weiter?

So wir haben jetzt geprüft – darf die Station in Togo überhaupt Arzneimittel beziehen? Wir sind ja zugelassen als Arzneimittelgroßhandel in Deutschland und auch wenn wir exportieren halten wir uns an die gleichen Regeln nur berechtigte Empfänger dürfen beziehen. Ist alles geprüft und die bestellmengen machen auch Sinn – auch das prüfen wir – ist es vielleicht zu viel für die Größe der Organisation oder zu wenig und beraten dann auch die Organisation. Dann wird es von einer Mitarbeiterin oder Mitarbeiter bei uns im Export in einen sogenannten Lagerauftrag überführt, denn das Lager muss jetzt ja anfangen diese Ware aus den 4.000 Quadratmetern zusammen zu suchen - da liegen ja die 20, 50 oder 100 verschiedene Produkte an 50 oder 100 verschiedenen Orten und das alles geht dann in einem Auftrag ans Lager runter.

In diesem Lager werden wir jetzt gleich mal vorbeischauen.

So jetzt sind wir noch im Lager und bei mir ist Ralf Deutzkens. Sie sind zuständig für Intralogistik, was ist das denn eigentlich?

action medeor staff deutzkensJa die Intralogistik das umschreibt die kompletten Abläufe innerhalb des Lagers: das beginnt im Wareneingang, die Wareneingangskontrolle, das Einlagern, das anschließende Kommissionieren, das Verpacken und die gesamte Zollabwicklung haben wir ebenfalls in den Bereich Intralogistik mit hereingenommen, inklusive der ganzen Organisation des Zolllagers.

Sagen Sie, wenn jetzt die Liste aus Togo da ist von der wir eben gesprochen haben und was passiert jetzt?

Also es kommt dann eine Picking Liste ins Lager. Hier ist aufgelistet neben dem Empfänger und der Versandart auch eben die entsprechenden Artikel mit den mit den Mengen - es gibt halt gewisse Vorgaben, ob bestimmte Mindesthaltbarkeiten gewählt werden müssen. Der Kollege im Lager geht nun hin, nimmt sich diese Picking Liste, nimmt einen Scanner zur Hand und beginnt mit einem Kommissionierwagen die Ware zusammenzustellen – also aus dem Lager zu entnehmen.

Das ist eigentlich nichts Anderes als bei Amazon?

Vom Prinzip her genau das gleiche ja. Das heißt wir beginnen jetzt hier mit dem ersten Artikel auf dieser Liste, er geht zu dem Lagerplatz, scannt dort den Artikel und die Charge, bestätigt dem System die entnommene Menge und legt diese auf einem Kommissionierwagen ab und arbeitet sich so im in Schlangenform durch das ganze Lager – das Lager ist so organisiert, eben nach aufsteigen Artikelnummern – beginnt und füllt diesen Kommissionierwagen bis dieser belegt ist und nimmt sich dann den nächsten Wagen.

Also sie wissen ganz genau, was im Lager ist, weil das elektronisch registriert wird?

Genau, das heißt die Bestände werden elektronisch geführt und in dem Moment wo er die Ware entnimmt wird das dann auch von dem Bestand korrigiert, beziehungsweise sobald das angepackt und entsprechend auch minimiert um diesen Artikel.

Lassen Sie uns nun ein Stück weiter gehen zu dieser Versandstraße. Das sieht aus wie auf der Poststelle, nur etwas größer. Hier werden die Pakete gepackt, gerade steht hier ein Karton: „German medical aid organisation, action medeor, Tönisvorst“. Was passiert jetzt hier?

Nachdem der Kollege die Ware kommissioniert hat, übergibt sie an einen weiteren Kollegen – der prüft zunächst noch einmal, ob die alles vollständig und korrekt kommissioniert wurde, sehr wichtig auch, ob die Chargen, die gescannt wurden, sich auch wirklich auf dem Wagen befinden. Das ist für uns sehr wichtig für die Chargenrückverfolgung sollte es mal zu einer Reklamation kommen, sodass wir genau sagen können, welche Artikel von dieser Charge wurde an welchen Kunden geliefert. Wenn er soweit alles kontrolliert hat beginnt er damit, diese ganzen Einzelartikel in Kartons zu verpacken.

Jetzt haben wir hier gerade was liegen. Lassen Sie uns bitte einmal hier rumgehen: ich bin einfach mal neugierig was wir hier haben. Das sieht ja auch nicht wie Medikamentenschachtel, so wie wir sie als Verbraucher aus der Apotheke kennen, sondern das sind ja große Dosen, Behältnisse, hier haben wir Paracetamol.

Wir haben hier in der Regel keine geblisterte Ware, das kennt man aus der Apotheke: Tabletten, die auf einem Film aufgebracht sind, sondern wir haben hier sogenannte Bulkware – das heißt wir haben hier Dosen die teilweise 500 sogar 1000 Tabletten enthalten. Der Vorteil es ist einerseits die viel günstigere Beschaffung, aber natürlich auch aus logistischer Sicht ist es ein enormer Vorteil, eben das die sehr geringen Frachtkosten im Vergleich zu geblisterter Ware, die sehr voluminös ist. Im Land selber, im Empfangsland, werden dann von dem Arzt die Tabletten aus dieser Dose entnommen und den Patienten in speziellen von uns eigens entworfenen Kunststofftüten abgefüllt und übergeben.

OK, dann muss das Paket jetzt gepackt werden!

So, jetzt wird der Karton gefaltet, die Packungen sind drin - gibt es noch eine Versandliste?

Ja, die gibt es auch noch die kommt anschließend nach dem Wiegen rein.

Also dieses Paket wird gewogen, kommt jetzt in einer Maschine – das ist eine Packmaschine, wie funktioniert die?

Das ist eine automatische Klebe-Maschine. Das Paket wird dort angesetzt, wird über Luftdruck angehoben und geklebt.

Das hört sich gefährlich an!

Herr Deutzkens, uns noch mal ganz kurz: das Paket ist jetzt gepackt und wandert auf eine Palette?

Ja, das heißt wir haben das Paket jetzt gepackt, es wurde festgehalten was wiegt für jeden einzelnen Karton, was ist in diesem Karton enthalten – und so wird der ganze Auftrag nach und nach abgearbeitet. Die Kartons werden anschließend etikettiert und auf Paletten gelagert und dann für den Versand vorbereitet. In der Regel ist es so, dass per Luftfracht verschickt wird – der größte Teil geht über Luftfracht raus – das heißt die Paletten werden gepackt und anschließend noch mit Folie gestretched, dann abgestellt warten dann auf den endgültigen Versand.

Dann ist es ein Vorteil, dass action medeor am Niederrhein sitzt und Düsseldorf und Köln/Bonn nicht weit sind?

Ja vor allen Dingen gehen die Flüge von Düsseldorf aus, das ist für uns natürlich sehr gut und wir liegen ja strategisch sehr günstig – Düsseldorf mit dem Flughafen in der Nähe und natürlich aber auch die Seehäfen wie Hamburg, Antwerpen oder Amsterdam.

Herr Bonsmann, Sie sind wieder bei mir. Thema Zoll – sie haben hier ein Zolllager. Was ist das und warum brauchen Sie so etwas?

Der Hintergrund des Zolllagers ist der Einkauf die Arzneimittel in Asien, also aus Indien und China, diese Arzneimittel sind von hoher Qualität, verfügen aber über keine Zulassung in Deutschland oder in der EU. Aufgrund des Arzneimittelrechts ist es deshalb notwendig, ein sogenanntes Zolllager zu haben: da befindet sich das Medikament gar nicht auf europäischem Boden - Zoll-technisch gesprochen - unterliegt aber der Bewachung durch die Zollbehörde. Das ist der eigentliche Hintergrund. Es gibt weder Zollgebühren noch Mehrwertsteuer, da es ja wieder exportiert wird, es allein der arzneimittelrechtliche Hintergrund wegen der fehlenden Zulassung.

Herr Bonsmann, hinten in dieser Halle sehen wir eine Reihe von Paletten die mit großen Paketen gepackt sind?

Das ist eine Sendung für den Irak. Im Moment sind wir leider besonders gefragt in den Krisenherden dieser Erde: das ist Irak, wir packen aber auch für den Jemen, für den Südsudan. Das ist eine ganz besonders große Sendung für den Irak: Schmerzmittel sind drin, Antibiotika, Infusionslösung, Kanülen, Verbandsmaterial, Desinfektionsmittel – im Prinzip die komplette Palette die man braucht, wenn wirklich gar keine Medikamente mehr da sind.

Das ist jetzt eine aktuelle Sendung, Sie sind aber auch vorbereitet für ganz akute Krisen und Katastrophen. Es gibt ein sogenanntes Emergency Health Kit, was ist das?

Bei dieser Sendung für den Irak ist es ja so, dass wir die Zeit haben, die Ware so zusammenzustellen, wie der Empfänger sie benötigt – aber das dauert dann mehrere Wochen und da muss man auf die Importdokument warten. Die Zeit haben wir in einer akuten Katastrophe nicht, das heißt, da muss man auf vorgefertigte Kits zurückgreifen und dafür gibt es das sogenannte Emergency Health Kit.
Das ist auch zwei Paletten verteilt und umfasst eine Tonne Medikamente und Verbrauchsmaterialien, die nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation zusammengestellt ist. Der Empfänger, das sind dann internationale Hilfsorganisationen, und wir wissen ganz genau, was da rein muss und was dann auch vor Ort erwartet wird. Wir können das innerhalb von 24 Stunden raus schicken (auch mehrere von diesen die Kits) und ein Kit reicht für 10.000 Menschen für die Dauer von drei Monaten.

Herr Bonsmann – wie wird das alles finanziert, wie kann der einzelne helfen?

Wir sind dringend auf Spenden angewiesen: gerade die scheinbar medienwirksamen Krisenherde wie der Irak, wie der Südsudan, wie Syrien – sind unterfinanziert. Die Spender sind müde, politische Katastrophen finanziell zu finanzieren – aber die Menschen leiden vor Ort unendliche Not und deshalb brauchen sie die Unterstützung auch jedes einzelne Spenders für diese Krisen.

Das war unser Podcast im Monat Februar direkt aus der 4000 Quadratmeter großen Logistikhalle der action medeor. Meine Gesprächspartner waren Christoph Bonsmann und Ralf Deutzkens. Ich bedanke mich ganz herzlich bei den beiden und ich hoffe, dass wir uns im kommenden Monat wieder hören. Schalten Sie wieder zu – wir wünschen Ihnen auf jeden Fall eine gute Zeit!



Helfen ist selbstverständlich

„Würden meine Familie und ich von einer Naturkatastrophe getroffen werden, würde ich mir auch wünschen, dass es Menschen gibt, die uns helfen. Deshalb ist es für mich selbstverständlich, Menschen, die in Not geraten sind, zu unterstützen.”

Heike Wennmacher, Spenderin